Samstag, 20. Juni 2015

An mein Zürich von Ernst Zahn


An mein Zürich

Die Linden rauchen tief und lang,
Die Sonne leuchtet sterbematt.
Ich tue meinen Abendgang
Ob meiner lieben Heimatstatt.
Die wächst hinaus ins Hügelland,
Alljährlich ein paar Gassen mehr,
Und ich, der jeden Schritt gekannt,
Fremd gehe ich hier, fremd dort einher.
Doch ist es der gleiche Horizont,
Den froh vertraut das Auge sucht,
Noch ragt, vom letzten Strahlt um sonnt,
Der alten Münstertürme Wucht.
Noch blitzt auf blauen See das Weiss
Der windgeblähten Segel auf,
Noch grüsst der Firne Silberkreis
Aus Fernen märchenhaft herauf.
Sei du, mein Zürich, wie der Held,
Dem reicher stets die Kühnheit quillt,
Dem eine immer grössere Welt
Von Hoffnungen im Busen schwillt,
Der seiner Jugend Scheu verlor
Und nun sich reckt und stolz sich trägt,
Doch dem so schlicht wie je zuvor
Der Blick noch stahlt, das Herz noch schlägt.

1911 Zürich


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